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für dich und deinen Hund

von Christiane Weigel, Hundeverhaltensberaterin
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Ein Hund aus dem Tierschutz … die ersten Tage

Hundeverhalten & Kommunikation

Ein neuer, besonders süßer Hund aus dem Tierschutz ist bei euch eingezogen.

Es war Liebe auf den ersten Blick, ihr wart hin und weg. Wie lieb er euch gleich begrüßt hat und zu euch kam. Ein total hübsches Wesen, das doch jetzt bestimmt ganz wunderbar dankbar sein müsste. Natürlich stubenrein und Grundkommandos wird er ja wohl können… Pustekuchen.

Tierschutzhunde kommen aus aller Herren Länder, aus unterschiedlichsten Bedingungen und aus häufig unbekannten Verhältnissen. Hat das Tier auf der Straße gelebt? Hatte es überhaupt menschliche Kontakte? Kommt der Hund aus einem riesigen Shelter oder war er vielleicht schon isoliert in einer Tötungsstation? Hat er unter fragwürdigen Bedingungen in einer Familie gelebt? Hatte er schon zig Vorbesitzer, die alle nicht wirklich zufrieden mit ihrem Familienmitglied waren?

Das liebe, freundliche, zurückhaltende Tierchen aus dem Tierheimzwinger oder aus der Pflegestelle ist nach ein paar Stunden im neuen Zuhause alles andere als „dankbar“? Es schreit, pöbelt, kläfft, bellt, fiepst? Frisst nichts oder alles, inklusive Sofakissen, Stuhlbeinen und der Wade des Opas? Der Neuankömmling pinkelt in alle Ecken, kackt euch auf den hellen Wollteppich und folgt euch auf Schritt und Tritt durch die Wohnung? Und an Schlaf ist auch nicht zu denken?

Worst case

Leider immer öfter trifft man auf die schlimmste alle Ideen: Nach 1-2 Nächten ist es mit der Liebe nicht mehr weit her. Der Hund wird dorthin zurück gebracht, wo er herkam. „Geht gar nicht“, „schaffe ich nicht“, „der liebt mich ja gar nicht“, „das wird nie was, wenn es schon so anfängt“, „wieso ist der Hund nicht dankbar, dass ich ihn gerettet habe“. Aussage: Muss SOFORT hier weg. Und Tschüss.

Wie geht es besser?

Bestenfalls hat man sich VORHER mit Tieren aus dem Tierschutz auseinander gesetzt. Google ist da eine unerschöpfliche Quelle. Wenn man weiß, was einen erwarten könnte (nicht zwangsläufig muss), freut man sich viel mehr, wenn es genau bei eurem neuen Familienmitglied nicht auftritt.

In vielen Fällen gibt der Tierschutzverein und / oder die Pflegestelle euch wertvolle Hinweise über das Tier. Sie warnen euch, erzählen euch wie sich der Hund verhalten hat und weisen euch auf „Baustellen“ hin. Glaubt diesen Menschen erst einmal, bis ihr es besser wisst. Sie haben den Hund bereits gecheckt und erste Eindrücke gesammelt. Wie sich Fiffi dann im neuen Zuhause entwickelt, ist sowieso ein anderes Thema. Aber nehmt diese Hinweise ernst, es wird erfahrungsgemäß eher etwas schön geredet, damit der Hund besser vermittelt wird. Das ist kein böser Wille oder Hinterlist, sondern der Wunsch für jedes Tier ein gutes Zuhause zu finden.

Ja, in den ersten Tagen kann es chaotisch, unruhig, laut und auch mal nicht so schön werden. Muss aber nicht zwingend!

Was immer hilft: AUSATMEN!

Gebt euch und eurem neuen Mitbewohner eine Chance. Das Zauberwort heißt „Entspannung“. Lasst den Hund schlafen, schlafen, schlafen… danach kommt Fressen, danach kommt das kleine und große Business. Wie bei uns Menschen auch, gilt es schlicht die Bedürfnispyramide von unten nach oben abzuarbeiten.

Und die beginnt mit der Erfüllung des Grundbedürfnisses: Atmen / frische Luft, Fressen / Trinken, Schlafen / Ruhe, Pipi / Kacka. Danach kommt das Sicherheitsbedürfnis wie z.B. verlässliche Bezugsperson, klare Regeln / Grenzen, Schutz, Schmerz- & Angstfreiheit. Weiter geht es mit dem Sozialen Bedürfnis wie Geborgenheit, Körperkontakt, Zuwendung, Artgenossen, usw. Und jetzt folgt das Emotionale Bedürfnis nach Respekt, Fairness, Lob, usw. An der Spitze findet ihr das Kognitive Bedürfnis nach Problemlösung, Lernen, Training, Erfahrungen sammeln, usw.

Fazit

  • Bleibt ruhig, wenn was daneben geht – egal ob Pipi oder das explodierte Sofakissen. Setzt gerne freundlich Grenzen und erklärt dem Hund seine neue Welt – ihr müsst nicht alles gut finden
  • Schreien, Schimpfen, körperliche Maßregelungen unterlasst bitte – damit kann der Hund nichts anfangen und wird verunsichert
  • Sorgt für einen Ruheplatz (und hier hat er bitte auch wirklich seine Ruhe!), gebt dem Hund gutes artgerechtes Futter und ausreichend frisches Wasser
  • Sichert den neuen Hund gut im entsprechenden Sicherheitsgeschirr wenn ihr raus geht. Der Hund bleibt an der Leine – Freilauf kommt später
  • Wenn ihr unsicher seid, ob es zu Schnappen oder Beißereien kommen könnte, zieht einen Maulkorb auf. Das schadet niemandem und schützt euch und andere vor unliebsamen Überraschungen.
  • Vermeidet zu viel Unruhe – Kinder, andere Haustiere, zu viel Besucher können dem neuen Hund Angst machen
  • Kein Hund stirbt, wenn er nicht sofort 2 Stunden durch den Wald läuft… diesen Luxus kennen eh die wenigsten Hunde. Kleine Spaziergänge um den Block und in der nahen Umgebung geben dem Hund Vertrauen und Sicherheit. Die große weite Welt kommt später
  • Und wenn es gar nicht gut läuft nach 2-3 Wochen… lasst euch helfen. Sprecht mit einem Profi eurer Wahl und vertraut seinem Rat. Schaut euch nach einer passenden Hundeschule und nehmt Kontakt auf.